Wahlprüfsteine des Anti-Rassismus-Telefons Essen – DKP steht Rede und Antwort

Wahlprüfsteine des Anti-Rassismus-Telefons Essen

Anlässlich der Kommunalwahl 2020 hat das Anti-Rassismus-Telefon Essen die Essener Parteien auf den Prüfstein gebracht. Wir dokumentieren hier die Fragen, die mit einem kurzen erläuternden Statement beginnen, sowie die Antworten unserer Partei.

1. Frage: “Clans” und “Clankriminalität”

Seitens der Stadt und der Polizei wird in unserer Stadt das Gespenst der sogenannten “Clan-Kriminalität” gezeichnet, bei der “Clans” in Parallelgesellschaften, fernab von Gesetz und Ordnung, organisierte Kriminalität betreiben. Mit der sogenannten Null-Toleranz-Strategie werden dazu systematisch Razzien in Shisha-Bars und ähnlichen Lokalen durchgeführt, bei denen jedoch nur kleinere Ordnungswidrigkeiten und Verstöße gegen das Gesetz zu Tage treten. Schon seit Jahren ist die sogenannte Null-Toleranz-Strategie nicht nur vom Gesichtspunkt der Menschenrechte, und der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch in ihrer Wirksamkeit umstritten.

Das Anti-Rassismus-Telefon ist der Meinung, dass die Verwendung von inadäquat, ethnisch gefärbten Ausdrücken wie “Clan” in der Behandlung von kriminellen Problemen in Essen ganze Gruppen unserer Bevölkerung abwertet und kriminalisiert, ohne das einzelne Individuum zu sehen.
Unsere Sorge ist, dass durch die Pauschalisierung unbeteiligte, die nur zufällig den verfemten Namen tragen, unberechtigt stark benachteiligt werden (z. B. bei der Arbeitssuche u. ä.) und sogar, dass das Ausscheren aus negativen Milieus für junge Leuten dadurch unverhältnismäßig erschwert wird. Dadurch könnte am Ende die Spaltung der Gesellschaft zu Realität werden.

Sind sie bereit für eine Politik einzustehen die den gesellschaftlichen Frieden in unserer Stadt nicht gefährdet?

Antwort der DKP Essen:

Man muss sich doch die Frage stellen, über welche Menschen wir sprechen und warum die Bekämpfung der sogenannten “Clan-Kriminalität” eine so große Rolle spielt. Damit soll offenbar abgelenkt werden von den sozialen Ursachen für Kriminalität, die es unserer Meinung nach zu bekämpfen gäbe.

In den meisten Fällen sind es Menschen, die hier schon lange leben und/oder aufgewachsen sind, aber keine Arbeitserlaubnis haben. Nicht arbeiten gehen zu dürfen, treibt viele in die Illegalität bzw. versuchen sie dann auf anderen Wegen ihr Einkommen zu sichern.

Durch die Tatsache, dass das Bleiberecht (und damit auch die Arbeitserlaubnis) für ganze Familien eingeschränkt bleibt, ist eine “Clan” – Entwicklung die logische Konsequenz. Durch Razzien, Medienhetze und der sogenannten “Null – Toleranz – Politik” verschärft sich die Problematik weiter.

Uneingeschränktes Bleiberecht, Arbeitserlaubnisse, soziale Absicherung und Förderung von Bildungsabschlüssen wären erste Maßnahmen, um der sogenannten “Clan – Kriminalität” entgegenzuwirken. Integration aller Menschen in Essen, Förderung der Kultur und Vielfalt, sind weitere Schritte, um den gesellschaftlichen Frieden in unserer Stadt zu stärken. Dafür stehen wir ein.

Frage 2: Kampagne “Schafft sichere Häfen”

Die Kampagne “Schafft sichere Häfen” wurde durch die europäische, soziale Bewegung “Seebrücke” ins Leben gerufen. Obwohl sich viele Städte und Gemeinden bereits zu “Sicheren Häfen” erklärt haben, blockiert Bundesinnenminister Seehofer weiterhin die direkte kommunale Aufnahme von Geflüchteten. Ziel der Kampagne ist ein deutliches Zeichen für den Schutz der Rechte von geflüchteten Menschen zu setzen. Im Kontext der europäischen Abschottungspolitik und rechter Hetze ist es von enormer Bedeutung, dass Städte und Gemeinden sich zu “Sicheren Häfen” erklären und somit dazu beitragen eine kommunale, solidarische Migrationspolitik langfristig zu gestalten. Es wird eine Migrationspolitik angestrebt, die nachhaltig ist und die Kommunen eine stärkere Rolle spielen. Humanität und Bewegungsfreiheit der geflüchteten Menschen müssen gewährleistet sein.

Es braucht einen sicheren Ort der Zuflucht, insbesondere für Menschen in Not. “Sichere Häfen” sind solidarisch mit zivil-gesellschaftlichen Organisationen der Seenotrettung. Konkret bedeuten Sichere Häfen, dass neue rechtliche und politische Regelungen getroffen werden, die eine direkte kommunale Aufnahme ermöglichen. Nicht nur Geflüchtete, sondern alle Bewohner/innen von Kommunen und Gemeinden sollen von der Migration profitieren, Migration hier als Chance gedacht.

Unterstützen Sie die Forderung, dass die Stadt Essen sich zu einem “Sicheren Hafen” erklärt?
Werden Sie die Seenotrettung als Grundlage des Konzeptes der “Sicheren Häfen” politisch, auf kommunaler Ebene, unterstützen?

Antwort der DKP Essen:

Ja, wir unterstützen die Forderung, dass die Stadt Essen sich zu einem “Sicheren Hafen” erklärt. Allein eine solche Erklärung wird noch keine sicheren Orte der Zukunft schaffen. Unsere politische Arbeit ist daher auf weitergehende Forderungen gerichtet, nicht – aber auch – auf die Seenotrettung.

Im Interesse des Profits werden in aller Welt Kriege geführt. Menschen fliehen aus Angst vor Hunger oder Tod. Wir wollen daher die Ursachen nicht aus dem Blick verlieren und wenden uns strikt gegen jegliche militärische Auseinandersetzung, gegen Krieg. Denn diese sind Fluchtursache Nummer eins. Aber auch Hunger ist eine Fluchtursache, die es zu bekämpfen gilt. Nach wie vor beuten die großen Industrienationen andere Länder aus. Dies gilt es zu verändern, das geht aber nur mit tief greifenden gesellschaftlichen Änderungen.

Dennoch liegt es auch in unserer Verantwortung, den Geflüchteten einen “sicheren Hafen” zu gewährleisten. Die Stadt Essen sollte sich dieser Verantwortung stellen!

Dabei ist wichtig, dass die Geflüchteten nicht in separatem Wohnraum bzw. Sammelunterkünften untergebracht werden, sondern in den Stadtteilen integriert werden – und zwar in ALLEN Stadtteilen und in geeignetem Wohnraum. Integrationshelfer, soziale Zentren, um sich auszutauschen, Sprachkurse etc. müssen geschaffen werden, um die Integration der Geflüchteten in die Stadtgesellschaft zu unterstützen. Mit der Schaffung von sozialen Zentren würden die Stadtteile zusätzlich aufgewertet werden, wenn sie allen BewohnerInnen mit einem vielfältigen Angebot zur Verfügung stehen und so Orte der Begegnung werden.

3. Frage: Unterbringungssituation von Geflüchteten

In der Erstaufnahmeeinrichtung in Essen ist es schon zu den ersten Corona-Fällen gekommen. Das es in Zentralen Aufnahmeeinrichtungen von Flüchtlingen vermehrt zu Corona-Infektionen kommt gibt Anlass zur Sorge. Das Anti-Rassismus-Telefon unterstützt ausdrücklich den Aufruf “Infektionsschutz für alle!” des Flüchtlingsrates NRW. Wir fordern eine sofortige Entzerrung der Gefahrenlage durch eine dezentrale Unterbringung auf Landes- und kommunaler Ebene. Insbesondere gefährdete Personen und Familien mit Kindern müssen zeitnah dezentrale Unterkünfte bereitgestellt werden. Eine Vollquarantäne ganzer Einrichtungen lehnen wir kategorisch ab.

Wird ihre Partei das unterstützen?

Antwort der DKP Essen:

Ja, unbedingt werden wir das unterstützen. Infektionsschutz muss für alle möglich sein – unabhängig vom Geldbeutel und des Status. Aus den oben genannten Gründen haben wir die Sammelunterkünfte von Anfang an abgelehnt. Die Frage des Infektionsschutzes kommt seit der Pandemie verschärfend hinzu, aber auch die weitere medizinische Versorgung muss ausgebaut werden.

4. Frage: Unabhängige Kontrolle der Polizei

In der letzten Zeit wurden in Essen Zweifel am Handeln der Polizei laut. Die Migranten-Community stellt sich die Frage, ob die Polizei wirklich Schutz bietet oder eher eine Bedrohung darstellt. Racial profiling, gewalttätige Angriffe, Tötungen, derer Aufklärung nicht immer überzeugend ist, viele, die sagen müssen: wenn ich beklaut werde, kann ich mich nicht an die Polizei wenden. Es besteht die Gefahr eine Spaltung der Gesellschaft. Nur wenn in dieser Lage die privilegierten, weißen Teile der Gesellschaft Solidarität üben kann man dieser Gefahr entgegenwirken.

Unterstützen Sie die Forderung nach unabhängiger Kontrolle, damit Verantwortlichkeiten klar festgestellt werden und nicht alle Angehörigen der Polizei in Verdacht geraten?
Unterstützen Sie mit uns die Bewegung “Black Live Matter”, in der sich Ängste, Schmerz und Wut vieler Unterprivilegierten ausdrücken?

Antwort der DKP Essen:

Eine unabhängige Kontrolle der staatlichen Instanzen – gerade der Polizei – hinsichtlich rassistischer und faschistischer Gesinnung ist erforderlich.

Antirassistische und antifaschistische Initiativen und Bewegungen müssen unterstützt werden, wir tun dies schon lange, indem wir auf der Straße bei Demonstrationen dabei sind. Wir müssen den in der Bevölkerung tief verankerten Rassismus deutlich benennen und seine Ursachen aufzeigen. Diejenigen Menschen, die selbst nicht viel haben, können oft die notwendige Integration anderer nicht leisten. Sie haben Angst, dass das wenige Soziale, dass ihnen zu Teil wird, noch weniger werden könnte. Diese Ängste machen sich Rassisten zunutze. Dagegen setzen wir uns ein. Dazu gehört es auch, Rassisten/Faschisten zu benennen und im Stadtteil aktiv zu sein.

Die Stadtobersten dürfen es nicht nur bei einem Lippenbekenntnis zu Antirassismus und Antifaschismus belassen. Rassistische/Faschistische Äußerungen in Polizei und städtischen Behörden müssen überprüft werden und dürfen nicht einfach “unter den Teppich gekehrt” werden.

Die DKP solidarisiert sich ausdrücklich mit der “Black Lives Matter” – Bewegung und will gemeinsam mit allen antirassistischen und antifaschistischen Initiativen an einem antifaschistischen Programm für Essen arbeiten.